Der Zug kann jederzeit entgleisen. Ja, meistens erschreckt mich der Gedanke. Doch in seltenen, weißglühenden Momenten durchzuckt er mich wie ein seliger Blitz.
Raimund Gregorius hat viele schlaflose Nächte nach der Lektüre des Buches von Amadeo de Prado. Eben jene Zeilen blieben besonders hängen. Und er brachte Gregorius dazu, Lissabon wieder zu verlassen. Erst jetzt war er wieder bereit in seine Heimat Bern zurückzukehren. Hier fing die Geschichte von dem Latein- und Griechischlehrer aus
„Nachtzug nach Lissabon“ auch an: An einem ganz gewöhnlichen Tag begegnete er einer magischen Frau, die ihn ihm Außergewöhnliches auslöst. Mitten im Unterricht verlässt er die Klasse und findet sich in einem Buchhandel mit einem alten Buch wieder, das den Titel
„Um Ourives Das Palavras“ („Ein Goldschmied der Worte“) trägt. Der Händler übersetzt ihm die Einleitung und Gregorius ist derart fasziniert, dass er im Nullkommanichts Portugisiesch lernt und mit dem Buch unterm Arm seine Heimat Bern via
Nachtzug nach Lissabon verlässt, um dort auf Spurensuche zu gehen. Schnell findet er heraus, dass der Autor längst verstorben ist. Doch der 57-Jährige findet etwas viel Wertvolleres.
(Bei Klick aufs Bild – Nachtzug nach Lissabon bei Amazon) Am Ende fasziniert den Protagonisten und Leser das Buch im Buch von Pascal Mercier. Denn in „Ein Goldschmied der Worte“ blickt der Autor auf seine Erfahrungen zurück und findet dabei das Glück der Vergänglichkeit.
Wer möchte bis in alle Ewigkeit leben? (…) Nicht einmal in den Tag hinein leben könnten wir, denn dieses Glück zehrt vom Bewußtsein der verrinnenden Zeit, der Müßiggänger ist ein Abenteurer im Angesichts des Todes, ein Kreuzritter wider das Diktat der Eile. Wenn immer und überall Zeit für alles und jedes ist: Wo sollte da noch Raum sein für die Freude an Zeitverschwendung?
Nachtzug nach Lissabon: Tauchlehrer Andy hat das Buch nie gelesen und trotzdem besser kapiert als ich.
Erst viele viele Seiten später liest Raimund obriges Zitat, das mir besonders in Erinnerung geblieben ist. Am Ende haben es aber andere besser verstanden als ich. Gerne erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an Christophs schottischen Tauchlehrer Andy, der uns auf Gili Meno riet, unbedingt nach Papua zu reisen als wir noch nicht wussten, wohin die Reise gehen soll. „Aber Moment“, meinte ich, „da gibt’s Erdbeben und Kannibalen.“ – „Ja, eben, Abenteuer!“. Wir sind dann übrigens weiter nach Flores und sind dort hängengeblieben. Und ratet: Papua steht jetzt ganz oben auf unserer Liste.
Warum dieses Buch?
Weil es tröstet. – Mindestens zwei Jahre lang war Pascal Merciers Buch mein absolutes Lieblingsbuch. Viele Sätze gingen mir lange durch den Kopf und ich hielt dieses Buch so tiefgründig wie kein anderes. Mittlerweile weiß ich nicht genau, ob es wirklich so gut ist, oder ob ich mich blenden ließ. Spätestens als ich den
Film im Kino gesehen habe, kamen mir große Zweifel. Die Verfilmung ist wirklich grottenschlecht, damit verblasste auch das Buch für mich. Obwohl Martina Gedeck und Bruno Ganz mitspielten, fand ich in der Verfilmung nichts anderes als die platte Aneineinderreihung guter Sätze, die in diesem Zusammenhang farblos und besserwisserisch wirkten.
Lesetipp
Toll zum Verschenken für alle Leser ab ca. 25 plus. Als Urlaubslektüre ebenfalls bestens geeinget. Und wer eine Lissabon-Reise plant, der sollte „Nachtzug nach Lissabon“ unbedingt vorher lesen. Als ich selbst in Lissabon war, wurde jede Ecke aus dem Roman in der Realität lebendig.
Details zum Buch „Nachtzug nach Lissabon“
Das Zitat habe ich der Taschenbuchausgabe als dem btb Verlag (Random House) entnommen, erschienen 3. Auflage, 2006. Der Autor selbst kommt wie sein Protagonist aus der Schweiz (Bern) und lebt in Berlin. Pascal Merciert ist sein Pseudonym. Eigentlich heißt er
Peter Bieri.